Valerie Wendenburg

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Uni Luzern unter Druck

Erschienen im jüdischen Wochenmagazin tachles am 18. August 2023.

Die Theologische Fakultät der Universität Luzern lässt für die Neubesetzung einer Professur für Judaistik ausschliesslich Kandidaten katholischen Glaubens zu. Nachdem tachles dies in der vergangenen Woche publik gemacht hat, gibt dieses Thema immer mehr in der Öffentlichkeit zu reden.

Screenshot Website Uni Luzern

Nun meldet sich auch Alfred Bodenheimer, Professor für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte an der Universität Basel, zu Wort. Er sagt: «Wer im Jahr 2023 die Neubesetzung einer Professur für Judaistik an die katholische Konfession des Professors bindet, kann niemandem mehr weismachen, er agiere im Sinne einer offenen, pluralistischen Gesellschaft.»

Verkrustete Strukturen
Er selbst hat von 1997 bis 2003 als sogenannter Jüdischer Lehr- und Forschungsbeauftragter am 1981 gegründeten Institut für jüdisch-christliche Forschung (IJCF) der Universität Luzern gearbeitet. Schon damals sei ihm bald klar geworden, dass die Struktur nicht stimme: «Als ich damals vor dem Abschluss meiner Habilitation stand, monierte ich, dass es an einem dialogisch angelegten Institut wie dem IJCF auf Dauer nicht möglich sein könnte, dass per definitionem der Chef immer ein Katholik und der ihm unterstellte Mitarbeiter jüdisch sein müsse.» Bodenheimer schlug damals die Heraufstufung seiner Stelle vor, mit dem Argument, dass der Dialog auf Augenhöhe stattfinden müsse. «Damit kam ich damals ganz schlecht an, und die Perspektivlosigkeit meiner Position bewog mich schliesslich zum Risiko, von Luzern auf eine befristete Assistenzprofessur nach Basel zu gehen.» Der Wechsel scheint eine gute Entscheidung gewesen zu sein, Alfred Bodenheimer wurde schliesslich an der Theologischen Fakultät der Universität Basel der erste jüdische Dekan.

Konfessionelle Hürden überwinden
Es stellt sich die Frage, ob die ausgeschriebene Judaistik-Professur, für die nur Katholikinnen und Katholiken zugelassen sind, heute noch zeitgemäss ist. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus riet der Universität, ihr Vorgehen zu überdenken. Auch Alfred Bodenheimer gibt zu bedenken: «Ich möchte konfessionelle Hürden nicht kleinreden – aber man kann und muss sich als kantonale Institution auch Mühe geben, sie dann zu überwinden, wenn sie nicht nur aus der Zeit gefallen sind, sondern tatsächlich einen negativen, gesellschaftlich nicht mehr tragbaren Effekt erzeugen.» Da die neue Dekanin der Theologischen Fakultät Luzern, Margit Wasmeier-Sailer, im Radiobeitrag von SRF das aktuelle Dilemma zugibt und allfällige Irritationen bedauert, stellt sich die Frage, warum das Verfahren nicht angepasst wird und die verantwortlichen Personen nicht reagieren, um die Ungleichbehandlung zu bereinigen. «Verheerend ist die jetzige Situation ja nicht nur von der Aussenwirkung her, sondern auch wissenschaftlich. Es gibt einzelne ausgezeichnete Judaistinnen und Judaisten katholischer Konfession, aber das Feld möglicher exzellenter Kandidatinnnen und Kandidaten würde sich bei einer offenen Ausschreibung um ein Vielfaches öffnen», so Bodenheimer. Und er hat einen Vorschlag, wie das Dilemma beseitigt werden könnte: Wie bei den Jüdischen Studien an der Universität Basel auch, ist die Professur für Judaistik in Luzern sowohl an der Theologischen wie auch an der Philosophischen Fakultät angesiedelt.

Glaubwürdigkeit bewahren
«Was würde dem Entscheid im Weg stehen, die Professur formal ganz in die konfessionsungebundene Philosophische Fakultät zu legen und das für Theologiestudierende in Luzern obligatorische Fach Judaistik dann ausserfakultär zu lehren? Braucht es etwas Arbeit, zwischenfakultäres Gerangel, reglementarischen und administrativen Aufwand, um das zu ändern? Muss es der Kirche erklärt werden? Ja, in Gottes Namen, dann ist das eben so.» Es scheint, als müsse die Universität Luzern sich bewegen, um ihre Glaubwürdigkeit und auch die wissenschaftliche Relevanz des Fachbereichs Judaistik zu bewahren. Das ICJF wurde vor gut 40 Jahren gegründet und es hat sich unter Verena Lenzen einen Namen gemacht, der auch zahlreiche namhafte Gastdozenten anzog. Seitdem sie das Institut im September 2022 verlassen hat, ist ihre Stelle vakant. Ihre Nachfolge wird nun mit wachsender Spannung erwartet, und es bleibt abzuwarten, ob die Universität Luzern die Zeichen der Zeit ernst nimmt. In ihrem Stelleninserat propagiert sie, sich «aktiv für Vielfalt sowie für Chancengleichheit» einzusetzen. Jetzt geht es darum, schön klingende Worte in die Tat umzusetzen. l