Valerie Wendenburg

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Ein Schritt in die richtige Richtung

Erschienen am 18. März 2022 im jüdischen Wochenmagazin «tachles» .

Bislang ist es in der Schweiz erlaubt, rechtsextreme Symbole oder Gesten in der Öffentlichkeit zu zeigen. Das Tragen von Nazi-Symbolen oder auch ein ausgeführter Hitlergruss sind nur dann strafbar, wenn damit eine menschenverachtende Ideologie wie der Nationalsozialismus aktiv beworben wird. Einen Versuch, dies zu ändern, wagte Marianne Binder-Keller mit ihrem Vorstoss «Keine Verherrlichung des Dritten Reiches – Nazi-Symbolik im öffentlichen Raum ausnahmslos verbieten», der Ende November 2021 im Nationalrat eingereicht wurde. Anfang Februar aber beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. An der Stellungnahme des Bundesrats und an seiner Ablehnung der vorliegenden Motion, die ein umfassendes Verbot verlangt, hat sich bis dato nichts geändert. Wie der Mediensprecher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), Nicolas Hehl, aber betont, ist sich der Bundesrat dessen bewusst, «dass rassistische und namentlich antisemitische Äusserungen und Vorfälle in den letzten Monaten auch in Zusammenhang mit der Pandemie zugenommen haben». Er sagt: «Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat das Bundesamt für Justiz daher bereits im Februar beauftragt, den Handlungsbedarf und die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten zu prüfen, auch mit Blick auf die Rechtslage in den Nachbarländern. Diese Arbeiten sind bereits im Gang.»

Ein umfassendes Verbot?
Der Bundesrat versucht nun offenbar einen gangbaren Weg zu finden, da ein umfassendes Verbot von Nazi-Symbolen nicht mehrheitsfähig zu sein scheint. Tatsächlich haben Parlament und Bundesrat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit dem Verbot von Nazi-Symbolen auseinandergesetzt. Vorstös­se mit diesem Anliegen wurden bisher abgelehnt oder abgeschrieben. Ein vom Bundesrat ausgearbeiteter Vorentwurf wurde aufgrund der Rückmeldungen in der Vernehmlassung nicht weiterverfolgt. Offenbar war auch die Motion von Marianne Binder-Keller zu radikal: So soll laut Vorstoss die Verwendung von in der Öffentlichkeit bekannten Kennzeichen des Nationalsozialismus in der digitalen und realen Öffentlichkeit verboten und unter Strafe gestellt werden. Dies würde für Gesten, Parolen, Grussformen, Zeichen und Fahnen sowie Gegenstände, welche solche Kennzeichen darstellen oder enthalten, aber auch Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen oder Abbildungen gelten. Würde dieses Verbot auch die Verwendung der Nazi-Symbole in Wissenschaft, Kunst, Bildung oder Journalismus betreffen? Und ist ein solch umfassendes Verbot vereinbar mit der Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 16 BV), die es auch erlaubt, stossende Ansichten zu vertreten, selbst wenn diese für eine Mehrheit unhaltbar sind? Bisher sind die Verwendung und Verbreitung von rassistischen Symbolen aufgrund der Antirassismus-Strafnorm (Art. 261bis StGB) strafbar, wenn diese eine Ideologie symbolisieren, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung von Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet ist und dafür in der Öffentlichkeit geworben wird. Gibt es aber keinen öffentlichen Adressatenkreis, der beeinflusst werden kann und soll, so handelt es sich um ein strafloses Bekenntnis. Wenn das Bekenntnis allein strafbar gemacht würde, so würde ein Gesinnungsstrafrecht eingeführt.

Ein erster Schritt
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus und die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus haben sich bereits im Jahr 2010 gegen den Entscheid des Bundesrats ausgesprochen, der schon damals ein Verbot rassistischer Symbole ablehnte. Auch die Coordination intercommunautaire contre lʼantisémitisme et la diffamation ist seit vielen Jahren in dieser Angelegenheit engagiert. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) kritisiert die Antwort des Bundesrats auf den Vorstoss von Marianne Keller-Binder, es heisst, dieser habe «die Zeichen der Zeit nicht erkannt». SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner bestätigt aber, dass Bundesrätin Karin-Sutter dem SIG auf eine Intervention hin mitgeteilt habe, die Ablehnung der Motion durch den Bundesrat bedeute nicht, dass dieser die Augen vor den aktuellen Entwicklungen verschliesse. «Zudem hat sie uns gegenüber bereits vor Wochen versichert, dass das Bundesamt für Justiz beauftragt worden sei, den Handlungsbedarf und die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen zu prüfen und die entsprechenden Arbeiten umgehend an die Hand genommen wurden. Wir begrüssen diese Prüfung als wichtigen ersten Schritt und haben dem EJPD auch signalisiert, dass wir konstruktive Lösungen unterstützen werden», so Kreutner. Es scheint also, als würde das Bundesamt für Justiz nun nach einer Lösung suchen, die auch innenpolitisch nach all den bisher zurückgewiesenen Vorstössen auf Akzeptanz stossen kann. Es wäre nicht nur ein erster, sondern ein grosser Schritt, sollte es gelingen.