Valerie Wendenburg

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Eine Grenze überschritten

Erschienen im jüdischen Wochenmagazin tachles am 18. August 2023

Ende Juli lancierte der Verein Campax eine Kampagne mit dem Aufruf: «Lass uns gemeinsam gegen die SVP-Propaganda ein Zeichen setzen! Bestelle Dir jetzt kostenlos Deinen Anti-SVP-Kleber für den Briefkasten.» Das Motiv des Aufklebers aber sorgte schon bald für Aufruhr. Auf ihm zu sehen war ein Schaf mit der Aufschrift «FCK NZS» («Fuck Nazis»), das die Parteilogos von SVP und FDP kickt. Die Organisation hat den Schriftzug nach vehementer Kritik an dem Nazi-Vergleich zeitnah entfernt, steht aber immer noch hinter der Kampagne.

Nach der Kritik ist das Schaft nun nur noch weiss.

 

Protest kam vor allem vonseiten der FDP, so forderte der FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann eine Entschuldigung und drohte zuerst mit einer Anzeige. Dieser Vorfall ereignete sich nur wenige Tage nach der Äusserung des Moderators Jan Böhmermann, der auf seinem Twitter- (jetzt X-)Account, die deutsche CDU als «Nazis mit Substanz» bezeichnete. Diese jüngsten leichtfertigen Nazi-Vergleiche werden zu Recht infrage gestellt, da sie die historischen Ereignisse und konkret die Taten der Nationalsozialisten relativieren. Der Fakt, dass die FDP in einigen Kantonen Listenverbindungen mit der SVP eingeht, rechtfertigt keinen indirekten Vergleich beider Parteien mit den Nazis.

«Geschmacklos und geschichtsvergessen»
Der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, Jonathan Kreutner, sagt auf Nachfrage: «Die Kleberaktion mit der Nazi-Zuschreibung war mehr als unüberlegt, es ist geschmacklos und geschichtsvergessen. Wir haben wiederholt in der Öffentlichkeit klargemacht, dass Nazi-Vergleiche nichts in der politischen Debatte zu suchen haben. Viele wurden darauf sensibilisiert, Campax aber offenbar nicht. Ich hoffe stark, dass nun Lehren gezogen werden.» Er verweist darauf, dass auch im Wahlkampf eine Mässigung im Ton und eine anständige Debattenkultur gefragt seien.

Virginia Köpfli ist als Wahlkampagnenleiterin von Campax für die Aktion verantwortlich. Sie sagt: «Wir legen Wert darauf, festzuhalten, dass es nie unsere Absicht war, die Verbrechen des Dritten Reiches zu verharmlosen. Um diese Missverständlichkeit zu vermeiden, haben wir das Motiv nach dem ersten Hinweis sofort angepasst. Falls unser ursprüngliches Motiv für Direktbetroffene, Angehörige oder deren Umfeld verletzend wirkte, tut uns das leid.» 

NS-Verbrechen werden banalisiert
Das Eingeständnis, dass die Aktion dem Verein Campax «leidtut», ist angebracht, da er mit dem Nazi-Vergleich zu weit gegangen ist. Nach wie vor aber lehnen die Verantwortlichen es ab, sich öffentlich für die Aktion zu entschuldigen. Virginia Köpfli betont: «Das Schaf auf dem Kleber war durch das T-Shirt einfach zu identifizieren als Wesen mit einer antifaschistischen Grundhaltung. Eine Haltung, die wir teilen. Wir sehen keinen Anlass, uns dafür zu entschuldigen.» Sie betont, dass es nie darum gegangen sei, den Nationalsozialismus zu verharmlosen: «Im Gegenteil, das T-Shirt-Motiv ist ein Produkt der jüngeren Popkultur und verweist auf die Gefahr der neofaschistischen Bewegungen und ihren Aufstieg in der heutigen Zeit. Genau darum geht es auch bei unseren Klebern: Die fehlende Abgrenzung der SVP gegen rechtsextreme Gruppierungen führt zu einer Normalisierung dieses Gedankengutes in unserer Gesellschaft.» Campax habe mit dem Briefkastenkleber ein klares antifaschistisches Zeichen gegen solche Propaganda setzen wollen. Balthasar Glättli, Präsident der Grünen Schweiz und Nationalrat, sagt gegenüber tachles, er sei als Vorstandsmitglied von Campax nicht in operative Entscheidungen involviert. Er ist aber der Meinung, dass «dieser Vorfall kritisch aufgearbeitet» werden müsse: «Was mir zunächst aber wichtiger ist: Ich möchte mich bei allen Menschen entschuldigen, die einer Gruppe angehören, die Opfer der Nazis waren und diesen Sticker geschmacklos fanden.»

Jonathan Kreutner hätte sich mehr Einsicht von Campax gewünscht: «NS-Vergleiche überschreiten klar eine Grenze und das wirklich fast immer. Diese Grenze wird dann überschritten, wenn das Leid und der Schmerz von Millionen von Menschen instrumentalisiert werden, um eigene politische Botschaften zu überhöhen. Jenen, die solche Vergleiche in dieser Form nutzen, muss klar sein, dass sie damit die NS-Verbrechen und die Schoah banalisieren.» Dies scheint Campax anders zu sehen. Verwiesen wird auch auf die Tatsache, dass die SVP Solothurn mit «Mass-Voll» im Oktober eine Listenverbindung eingeht. Auch wenn Kritik an Listenverbindungen wie dieser durchaus angebracht sein kann, hat das «Fuck Nazis»-Schäfchen in der Sache offensichtlich eher kontraproduktiv gewirkt. Es wäre künftig wohl zielführender, auf fundiertere Argumente statt auf unangebrachte Nazi-Vergleiche zurückzugreifen.