Valerie Wendenburg

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Kunstmuseum beruft sich auf NS-Gesetz

Erschienen am 28.10.2022 im jüdischen Wochenmagazin tachles.

Das Kunstmuseum Basel zeigt seit einer Woche die Ausstellung «Zerrissene Moderne». Im Jahr 1939 kaufte das Museum Kunst der klassischen Moderne, die von der nationalsozialistischen Regierung als «entartet» diffamiert, beschlagnahmt, aus deutschen Museen entfernt und ins Ausland verkauft wurden. Das Kunstmuseum Basel erwarb damals 21 bedeutende Werke der europäischen Moderne, die, wie es im Flyer zur Schau heisst, «das Fundament der heute weltberühmten Sammlung moderner Kunst des Kunstmuseums bilden».

In der Ausstellung sind neben den Werken zahlreiche Dokumente zu sehen, die die Ankäufe kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs einordnen. Die Diskussion im Vorfeld der Käufe an der Auktion der Galerie Theordor Fischer in Luzern zeigt auf, dass diese unterschiedlich eingeordnet wurden. So wurde darüber debattiert, ob ein solches Geschäft grundsätzlich überhaupt in Frage käme, «da das Ganze sehr unerfreulich ist», wie Joseph Gantner, damaliges Mitglied der Basler Kunstkommission, bemerkte.

«Die Entscheidung hatte sich also für das Museum gelohnt.»

Im Entwurf des Protokolls hiess es noch deutlicher: eine «Schweinerei». Letztendlich wurde den Käufen aber zugestimmt und der damalige Direktor des Kunstmuseum Basel, Georg Schmidt, resümierte bereits im November 1939: «Nur schon rein finanziell beträgt der Wertzuwachs unserer Sammlung ein Mehrfaches des gewährten Kredites», der bei 50 000 Franken lag. Die Entscheidung hatte sich also für das Museum gelohnt, so viel stand sofort fest. Die unter den geschilderten besonderen Umständen erworbenen Bilder reihten sich schon in die Kunstsammlung des Museums ein, auf ihre Geschichte wurde nicht explizit verwiesen. Heute werden die Ankäufe von 1939, die nur aufgrund nationalsozialistischer (NS) Rechtsprechung möglich waren, viel stärker in Frage gestellt als in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt der Debatte steht auch das Einziehungsgesetz aus dem Jahr 1938, das die Rechtsgrundlage für die Ankäufe bildet. Das Gesetz wurde, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Gesetzen der Nationalsozialisten, nicht aufgehoben. Eine Entscheidung, die bis heute umstritten ist. So hat der deutsche Rechtswissenschaftler Erik Jayme, gestützt auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1968, das nationalsozialistische Einziehungsgesetz als «gesetzliches Unrecht» eingeordnet, weil es fundamentalen Prinzipien der Gerechtigkeit widersprochen habe. Auch Jutta Limbach, ehemalige Präsidentin des deutschen Bundesverfassungsgerichts, befürwortete 2014 die Rückabwicklung der bisher als unantastbar eingestuften Verkäufe der als «entartet» diffamierten modernen Kunst, die aus deutschen Museen entfernt worden war und sich nun teilweise in öffentlichen Einrichtungen inner- und ausserhalb Deutschlands befindet.

«Das wäre, wie wenn man die Geschichte zurückdrehen würde.»

Anderer Ansicht ist offensichtlich Josef Helfenstein, Direktor des Kunstmuseums Basel. In seinem Interview mit der «Basler Zeitung» von 21. Oktober rechtfertigt er das Einziehungsgesetz ohne Umschweife. Auf die Frage, ob man nicht alle Gesetze, die von einem Unrechtsregime gemacht wurden, infrage stellen sollte, sagt er: «Im Falle des Nationalsozialismus wurde das jedenfalls nicht gemacht. Das wäre, wie wenn man die Geschichte zurückdrehen würde.» Helfenstein möchte mit dieser Redewendung offenbar ausdrücken, dass historische Entwicklungen nicht rückgängig gemacht werden können. Seine Äusserung scheint in diesem Zusammenhang aber zumindest fragwürdig, da er mit ihr moralische Aspekte völlig ausklammert. Mit dieser Einstellung macht es sich das Kunstmuseum Basel zu einfach. Es ist weltweit die einzige Institution, die eine so grosse Zahl von Objekten aus den aus deutschen Museen beschlagnahmten Beständen direkt angekauft hat. Auch wenn die Verfolgung «entarteter Kunst» juristisch nach wie vor haltbar ist, so war die Beschlagnahmung von Kunstwerken aus staatlichen Museen ein verwerflicher und barbarischer Akt. Das Kunstmuseum Basel sieht sich vor allem als Retter «entarteter Kunst», die von den Nazis verkauft wurde – das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die aktuell ausgestellten Werke sind ein Zeugnis nationalsozialistischen Unrechts, das niemals verharmlost werden darf. Den Schöpfern der «entarteten Kunst» ist grosses Unrecht zugefügt worden – und wenn sich eine öffentlich finanzierte Kulturinstitution wie das Basler Kunstmuseum heute auf das Einziehungsgesetz der Nationalsozialisten stützt, ist das zumindest bedenklich, denn ein NS-Gesetz sollte im 21. Jahrhundert keinerlei Basis mehr für Beurteilungen bieten oder gar als Rechtfertigung dienen.