Valerie Wendenburg

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Schule als Spiegel der Gesellschaft

Erschienen am 25. März 2022 im jüdischen Wochenmagazin «tachles» .

Die Chronologie der rassistischen Vorfälle, welche die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) zusammen mit der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz (GMS) auf der GRA-Website fortlaufend führt, registrierte im Jahr 2021 insgesamt 86 rassistische oder antisemitische Vorfälle, die schweizweit von den Medien publiziert wurden. Im Vorjahr waren es 62 Fälle, was einen klaren Anstieg bedeutet.

Gemeldet wurden vor allem Sachbeschädigungen und Sprayereien mit nationalsozialistischen Symbolen im öffentlichen Raum. Als einer der gravierendsten Vorfälle gilt laut Rassismusbericht die im Februar 2021 verunstaltete Eingangstür der Bieler Synagoge, welche mit einem Hakenkreuz und nationalsozialistischen Slogans beschmiert wurde. Zudem wurden im Zusammenhang mit Protesten gegen die Corona-Massnahmen immer wieder Hakenkreuze oder gelbe Davidsterne in der Öffentlichkeit gezeigt, die einen Vergleich zwischen der aktuellen politischen Situation und dem nationalsozialistischen Regime zu ziehen versuchen. Wie tachles berichtete, wurden zu dem Thema bereits mehrere Vorstösse im Parlament eingereicht, welche sich um ein Verbot rassistischer und antisemitischer Symbole im öffentlichen Raum bemühen (vgl. tachles 11/22). Bedenklich sind zudem antisemitische Verschwörungsideologien, die weiterhin verbreitet werden, und die Tatsache, dass im vergangenen Jahr vermehrt Meldungen über rassistische Vorfälle an Schulen gemeldet wurden.

Den Verfassern des Berichts ist klar, dass die Chronologie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, es heisst: «Trotz der gestiegenen Anzahl erfasster Vorfälle kann weiterhin von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.» Als Grund für die Zunahme der rassistischen Vorfälle sehen GRA und GMS die anhaltende Covid-19-Pandemie und die damit einhergehenden Massnahmenproteste und öffentlichen Äusserungen von Massnahmen- und Impfgegnern. Auch von Rassismus betroffen sind Mitglieder der LGBTQIA+-Community, die beschimpft oder sogar auch tätlich angegriffen wurden. Opfer von Rassismus und Diskriminierung sind in der Schweiz weiterhin auch schwarze Menschen, die häufig mit verbalen Attacken und Beschimpfungen konfrontiert werden. Im Jahr 2021 gab es erneut mehrere rassistische Vorfälle bei Fussballspielen, es wurden aber auch tätliche Vorfälle gemeldet.

«Ein grosser Teil der rassistischen Vorfälle im Netz war Hassrede.»

Gemeldet wurden vermehrt rassistische Vorfälle an Schulen, bei denen Schülerinnen oder Schüler aufgrund ihrer Hautfarbe beschimpft und diskriminiert wurden. Zudem gab es Vorfälle, die rassistische und insbesondere nationalsozialistische Symbole und Gesten beinhalteten. Es wird laut den Verfassern des Berichts deutlich, dass sich in den Schulen die Vorgänge und Entwicklungen der Gesellschaft widerspiegeln. Um Lehrpersonen sowie Lernende für die Themen Rassismus und Antisemitismus zu sensibilisieren und ihnen Tools an die Hand zu geben, wie sie auf rassistische Vorfälle an Schulen angemessen reagieren können, hat die GRA unter anderem einen neuen Informationsflyer zu «Verschwörungstheorien» für Lehrpersonen lanciert.

Ein grosser Teil der rassistischen Vorfälle im Netz war Hassrede. Meist wurden Meldungen von rassistischen Posts bzw. Kommentaren auf Social Media und Meldungen über rassistische Äusserungen in den Kommentarspalten von Online-Ausgaben von Zeitungen gemeldet. Als Reaktion auf die Zunahme von Hassrede im Netz rief die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) im November 2021 eine neue Meldeplattform für rassistische Online-Hassrede in Leben. Auf der Website www.reportonlineracism.ch können dem EKR nun Vorfälle direkt gemeldet werden. Im Schlusswort des Berichts heisst es: «Die Ereignisse im Jahr 2021 verdeutlichen einmal mehr, wie vielschichtig Rassismus, Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen sind, wo sie überall auftreten und wie komplex deren Bekämpfung ist.» Eine aktuelle Debatte sei dringend vonnöten und es brauche nun mutige Stellungnahmen seitens der Politik.

«Die Bildungs- und Präventionsarbeit wird weiter ausgebaut.»

Zusammen mit dem Rassismusbericht wird ein Interview mit dem Professor für Strafrecht und Ständerat Daniel Jositsch über die aktuelle rechtliche Situation zum Verbot von nationalsozialistischen Symbolen publiziert. Darin sagt Jositsch: «Das beste und wohl nachhaltigste Mittel ist Präventions- und Bildungsarbeit. Die junge Generation muss genau wissen, wofür diese Symbole stehen und weshalb sie auf keinen Fall verharmlost oder für die eigene politische Agenda eingesetzt werden dürfen. Dieses Wissen muss so vermittelt werden, damit es die Lebensrealität junger Generationen auch anspricht.» Die GRA schreibt, sie habe ihre Bildungs- und Präventionsarbeit weiter ausgebaut, um Lehrpersonen, Lernende und Eltern bei einem konstruktiven Austausch zum Thema Rassismus und Antisemitismus zu unterstützen. Die Berichte der kommenden Jahre werden zeigen, ob es gelingt, mittels Aufklärung junger Menschen eine Kehrtwende einzuleiten.