Valerie Wendenburg

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Wer füllt die Lücke?

Erschienen im jüdischen Wochenmagazin tachles am 28. April 2023

Moshe Baumel, der beliebte Rabbiner der Israelitischen Gemeinde Basel, legt sein Amt per Sommer 2024 nieder und wird Rektor an der jüdischen Primar- und Mittelschule Basel, damit stellt er die Gemeinde vor eine neue Herausforderung.
Die Nachricht schlug ein wie ein Blitz: Kurz vor den Feierlichkeiten zum Jom Haazmaut informierte die Israelitische Gemeinde Basel (IGB) ihre Mitglieder darüber, dass Rabbiner Moshe Baumel zum Sommer 2024 gekündigt hat und seine Tätigkeit nach acht Jahren beenden wird. Neu wird er in der jüdischen Primar- und Mittelschule Basel als Rektor tätig sein, da er, wie er selbst sagt, gänzlich in den pädagogischen Bereich zurückkehren möchte.

Synagoge in Basel

 

Ein Verlust
Für die IGB ist die Kündigung ein herber Verlust, ist Rabbiner Moshe Baumel doch durch die Reihen weg beliebt und geschätzt. Dies nicht nur in der IGB selbst, sondern auch in der Stadt Basel, in der er sich für den Dialog mit anderen Religionen einsetzte und das Judentum nach aussen erlebbar machte wie jüngst an seinem Auftritt beim Vogel Gryff. Rabbiner Baumel ist es während seiner Amtszeit immer wieder gelungen, Brücken zu schlagen, auch innerhalb der Gemeinde und unter ihren Mitgliedern. Dass er sich für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Basler Juden einsetzte, wurde auch vor Kurzem deutlich, als er sich bei einer Diskussion über den Israelitischen Friedhof sowohl für die Anliegen der Israelitischen Religionsgesellschaft wie auch für die Errichtung eines gemischt-religiösen Grabfelds starkmachte und damit den liberalen Juden entgegenkam – mit Erfolg. Zudem fiel der «Ausnahmezustand» während der Corona-Pandemie in seine bisherige Amtszeit. Es war immer wieder zu hören, dass der Gemeinderabbiner hier einen besonderen Einsatz für die Mitglieder geleistet habe.

Gefühl der Dankbarkeit
Gemeindepräsident Emmanuel Ullmann schreibt in seinem Newsletter, er bedauere die Kündigung ausserordentlich. Sein Vorgänger Manuel Battegay sagt auf Nachfrage von tachles: «Rabbiner Moshe Baumel hat in den letzten acht Jahren mit seiner hervorragenden, intensiven Arbeit ganz wesentlich zum Leben, auch zur Seelsorge in unserer Gemeinde und zum Gedeihen beigetragen. Die IGB erfährt gerade auch durch sein Wirken in Basel und weit darüber hinaus grösste Wertschätzung – wir dürfen sehr dankbar sein.» Auch der ehemalige Präsident der IGB Guy Rueff, der Moshe Baumel eingestellt hat, äussert sich wertschätzend: «Der für alle überraschende Rücktritt als Rabbiner der IGB mit der gleichzeitigen Nachricht, dass er und seine Familie in Basel sesshaft bleiben wollen, weil sie so viel Gutes in unserer jüdischen Gemeinde in den letzten acht Jahren erfahren durften, hinterlässt bei mir trotz aller Unsicherheit, ob wir wieder einen so kompetenten, für alle Richtungen akzeptablen Nachfolger finden werden, zunächst einmal ein Gefühl der Dankbarkeit. Erstens gegenüber der Familie Baumel, die sich so gut in unsere kleiner werdende Gemeinde integriert hat und wie zuletzt bei der Friedhofsdiskussion einen für alle befriedigenden Kompromiss erarbeitet und dann auch gegen Widerstände vertreten hat. Zweitens gegenüber der Gemeinde, die damals unseren Beschluss, nur einen und dazu noch jungen, unerfahrenen Kandidaten zu präsentieren, zwar nur knapp angenommen hat. Jetzt aber wird sicher eine grosse Mehrheit seinen Weggang aus der IGB bedauern.»

Neuer Rabbiner gesucht
Guy Rueff erinnert sich sicher gut daran, wie schwer es damals war, einen geeigneten Rabbiner für Basel zu finden. Diese Aufgabe muss der amtierende Vorstand nun lösen. So soll eine achtköpfige Rabbinerfindungskommission eingesetzt werden, zu der seitens der IGB Steffi Bollag, Vizepräsidentin, Philippe Nordmann, Vizepräsident und Präsident der Synagogenkommission, sowie Vorstandsmitglied Mirjam Rosenberg delegiert werden. Die übrigen fünf Kommissionsmitglieder sollen über diesen Aufruf an die Gemeinde zur Mitwirkung in der Findungskommission gefunden werden. Die abschliessende Kommissionszusammensetzung wird vom Vorstand vorgenommen und soll ein möglichst breites Spektrum der Gemeinde abbilden. Gewählt wird der neue Rabbiner von der Gemeinde. Bis dahin gehen aber noch ein paar Monate ins Land, in denen Rabbiner Moshe Baumel weiterhin als Rabbiner amtet. Wie Emmanuel Ullmann sagt, wird der Gemeinderabbiner zu gegebener Zeit würdig verabschiedet werden. Baumel selbst schreibt: «Ich werde selbstverständlich und mit grosser Freude der Gemeinde weiterhin in anderen Funktionen, zum Beispiel als Lehrer, dienlich sein, falls seitens der Gemeinde der Bedarf hierfür bestehen wird.» Und er dankt der gesamten Gemeinde, deren Rabbiner er all die Jahre sein durfte, er schreibt: «Es war mir eine Ehre.» Ein neuer Rabbiner, der die IGB in den kommenden Jahren weiterhin stärkt, muss aber nun zeitnah gefunden werden. Es ist der Gemeinde mit Blick auf ihre Zukunft zu wünschen, dass der Nachfolger die Lücke, die entsteht, schliessen kann.