Valerie Wendenburg

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«Wir können Geschichte gestalten»

Erschienen am 5. November 2021 im jüdischen Wochenmagazin «tachles» .

Die Aula im Naturhistorischen Museum Basel war am Dienstagabend fast bis auf den letzten Platz besetzt, als der Verein Stolpersteine Schweiz zum Festakt anlässlich der Verlegung von vier Stolpersteinen und einer Stolperschwelle in Basel und Riehen einlud. Tagsüber wurden die Mahnmale in Anwesenheit unter anderem von Rabbiner Akiva Weingarten, Grossratspräsident David Jenny, alt Nationalrat Remo Gysin und der Künstlerin Katja Demnig verlegt.

Den Anlässen wohnten zahlreiche weitere Gäste bei und auch die Gymnasien Münsterplatz und Bäumlihof sowie die Sekundarschule Bäumlihof wirkten aktiv an der Gestaltung mit. Ausgelieferte oder ausgewiesene Menschen Stolpersteine gibt es in Deutschland schon seit mehr als 25 Jahren, die Idee stammt vom Künstler Gunter Demnig. Die im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln sind in zahlreichen europäischen Ländern zu finden. Heute gelten die Stolpersteine, von denen es in der Schweiz nun insgesamt 18 gibt, als grösstes dezentrales Mahnmal der Welt. Seit dieser Woche erinnern sie nun auch in Basel an vier Menschen, die aus der Schweiz ausgewiesen oder der Gestapo ausgeliefert wurden. Dies bedeutete zu Zeiten des Nationalsozialismus den sicheren Tod der Betroffenen.

«Es wäre möglich gewesen wäre, Menschenleben zu retten.»

Die vier Stolpersteine verweisen auf die letzten Wohnorte der den Nationalsozialisten zum Opfer gefallenen Anna Maria Böhringer, Kurt Preuss, Gaston Dreher und Armin Weiss, deren bewegenden Geschichte recherchiert und am Dienstag allen Anwesenden vermittelt wurde. Eine vollständige Chronik aller durch den Verein Stolpersteine Schweiz verlegten Stolpersteine ist auf der Website zu finden. Zudem wurde in Riehen am Grenzübergang nach Lörrach-Stetten eine sogenannte grossformatige Stolperschwelle verlegt. Sie soll an die über 30 000 Menschen erinnern, denen in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur trotz Verfolgung und Not kein Einlass in die Schweiz gewährt wurde. Erinnern und vermitteln Abgerundet wurde die Steinverlegung mit dem feierliche Gedenkanlass, an dem der Basler Regierungspräsident Beat Jans seine grosse Betroffenheit über den damaligen Umgang der Behörden mit der verzweifelten Lage schutzbedürftiger Menschen betonte, welcher «schwer zu ertragen sei». Ruth Schweikert, Vize-Präsidentin des Vereins Stolpersteine Schweiz, sagte in ihrer Ansprache, es sei wichtig, sich zu erinnern und sich der Momente bewusst zu werden, in denen es seitens der Behörden möglich gewesen wäre, Menschenleben zu retten: «Wir können Geschichte gestalten», dies müsse man sich auch heute immer wieder vergegenwärtigen. Sie erinnerte aber auch an jene Menschen, die während des Nationalsozialismus Mut bewiesen und Menschen geholfen hätten.

«Vier Stolpersteine als Anfang.»

Ralph Lewin, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, begrüsste das grosse Engagement des Vereins Stolpersteine Schweiz auch im Hinblick darauf, dass die Mahnmale der Vermittlung von Geschichte für nachfolgende Generationen dienen können; er sprach auch im Namen der Plattform der Liberalen Juden der Schweiz. Der von rund 150 geladenen Gästen besuchte Gedenkanlass endete mit einer Schweigeminute im Gedenken an alle Opfer des Nationalsozialismus. Anwesend waren nationale Politiker und Politikerinnen des Kantons Basel-Stadt sowie Vertreterinnen und Vertreter der reformierten und der katholischen Kirchen, der muslimischen und der jüdischen Gemeinschaft sowie der Wissenschaften. Von den Initianten wurde betont, dass die vier Stolpersteine erst einen Anfang bildeten – dieser würdevolle Anlass war also erst ein Auftakt für weitere Basler Stolpersteine.